Vorstands- und Gastelternreise April/Mai 2012
Vom 27.4. bis zum 4.5.2012 machten sich zehn Teilnehmer zu einer Vorstands- und Gastelternreise nach Wischgorod auf. Wir wollten die Projekte vor Ort koordinieren, die Kontakte zu den Partnern pflegen und den Gasteltern einen Eindruck vermitteln, wie und wo die Kinder leben, die sie zur Erholung in ihre Familie eingeladen hatten. Lesen Sie hier auch den Bericht einer Teilnehmerin.
Gasteltern
Die Ukraine begrüßte uns mit herrlichstem Hochsommerwetter und hatte sich mit den Blütenkleidern von Obstbäumen, Kastanien und Flieder wunderbar herausgeputzt. Wir hatten zusätzlich das Glück, dass während unsres Besuchs in der Ukraine fünf freie Tage in Folge lagen, so dass der Alltagsverkehr deutlich reduziert war. Das bescherte uns relativ schwach besetzte U-Bahnen. Außerdem hatte die Gastelterngruppe günstig einen Minibus engagieren können, der für alle Unternehmungen zu Verfügung stand. Zwei junge Übersetzer, die am Goethe-Institut in Kiew hervorragend Deutsch gelernt hatten, begleiteten die Gruppe einige Tage, so dass Besichtigungen in Kiew ein großer Genuss waren. Auf dem Programm standen außer den Besuchen bei den Gastkindern noch Ballettbesuch, Besuch des Höhlenklosters Lawra, Besuch verschiedener Klöster und Dome in Kiew, eine Fahrt mit der Zahnradbahn vom Dnipro zur Oberstadt, Besuch des Freilichtmuseums und vieles Andere. Abends saß man noch lange zusammen und besprach die Erlebnisse.
Natürlich besuchten die Gasteltern auch ihre Gastkinder, die sie im letzten Jahr zur Erholung in ihre Familie eingeladen hatten, und erlebten dabei ihrerseits eine überwältigende Gastfreundschaft.
Medikamentenkinder
Parallel zu dem Programm der Gasteltern erledigten zwei Vorstandsmitglieder den Arbeitsteil dieses Besuchs. Sie suchten unsere „Medikamentenkinder“ auf, die regelmäßig von uns mit Medikamenten versorgt werden sowie Kinder, die neu in dies Programm aufgenommen wurden. Es ist ermutigend zu sehen, dass den Kindern durch diese Hilfe fast ein normales Leben möglich wird. Als ganz besonderes Erlebnis konnte einer unserer „Paten“ selbst sehen, welchen Erfolg seine Unterstützung bei dem 6 jährigen Maxim hat. Der Junge hätte nie eine normale Schule besuchen können, weil die Stellung seiner Füße ein selbstständiges Gehen unmöglich machten. Dank der Unterstützung aus Deutschland konnte der Junge operiert werden und eine begleitende Therapie erhalten, so dass er jetzt lernen kann, selbstständig zu laufen und in eine normale Schule gehen können wird. Das Bild zeigt Gisela Steinbach bei Aleksej.
Natürlich sehen wir bei unserer Arbeit nicht immer solche Erfolge, denn unsere Medikamentenhilfe gilt im Wesentlichen chronisch kranken Kindern, denen wir ihre Krankheit erträglicher machen. Sie werden aber nicht geheilt.
Bei jedem unserer Besuche lassen wir uns von der betreuenden Ärztin über jedes Kind berichten und geben diese Information an die jeweiligen Unterstützer weiter.
Bereginja
Bei der Arbeitssitzung mit unserm Partner Bereginja besprachen wir den letzten Transport und die Vorbereitungen für die Kindererholungsmaßnahme in Deutschland.
Da der Zoll einen neuen Leiter bekommen hatte, der Bereginja und seine Arbeitsweise noch nicht kannte, sollte der LKW mit der letzten Hilfslieferung vom Dezember am Zollterminal vollständig abgeladen werden um zu prüfen, ob wirklich nur gebrauchte Sachen dabei waren. Zum Glück konnte dieser große Aufwand vermieden werden, weil der Chef sich von anderen Mitarbeitern überzeugen ließ, die Bereginja kannten. Die Hilfslieferung ist inzwischen verteilt und ca. 600 Personen sind damit bedacht worden. Die Ausgabe erfolgte jeweils an 2 Tagen in der Woche durch je ein Vorstandsmitglied von Bereginja unterstützt von drei weiteren Helferinnen. Es zeigt sich immer wieder wie wichtig es ist, dass wir sorgfältig arbeiten, damit auch bei einer scharfen Kontrolle keine Unregelmäßigkeiten gefunden werden. Sie könnten unsere Arbeit sehr nachhaltig stören. Von anderen Hilfsorganisationen wissen wir, dass LKW inzwischen öfter komplett abgeladen werden und jeder Karton einzeln geprüft wird.
Erholung in Deutschland
Ein generelles Problem sind die Wünsche einiger deutscher Gasteltern, ein Kind aus einer besonders armen Familie einzuladen. Natürlich gibt es viele solcher Kinder in Wischgorod und Umgebung, aber die Familien dieser Kinder haben zum Teil sehr große soziale Probleme. Oft leben die Eltern dieser Kinder getrennt und es ist kaum möglich, die erforderliche Einwilligung beider Elternteile zu bekommen. In anderen Fällen sind die Eltern dieser Kinder nicht in der Lage, die erforderlichen Dokumente beizubringen. Wieder andere Eltern halten es für nicht erforderlich, dass man die Kinder zur Erholung schickt, denn sie hätten ja zu essen und das reichte. Nach vielen Bemühungen und Fehlschlägen hatte Bereginja eine 10 köpfige Familie gefunden die zwar sehr arm war, deren Familie jedoch in der Lage war die Formalitäten zu erledigen, aber die Mutter war zu besorgt, ihr kleines Mädchen so weit in ein fremdes Land zu fremden Leuten reisen zu lassen. Wir haben zwar einen Informationsflyer in ukrainischer Sprache erstellt, um uns den Familien näher vorzustellen, aber solche Bedenken sind absolut verständlich.
Erholungsmaßnahme in der Ukraine
In Dymer trafen wir den Pastor der evangelischen Kirchengemeinde, die jedes Jahr in den Karpaten eine Erholungsfreizeit für Kinder aus dem Gebiet nahe der verstrahlten Zone durchführt. Seit einiger Zeit ist die Frau des Pastors sehr schwer und langwierig erkrankt, so dass er die Erholungsmaßnahmen nicht mehr selbst durchführen kann. Inzwischen sind seine erwachsenen Kinder in der Lage, diese Arbeit weiter zu führen und tun dies mit viel Liebe, Kreativität und Kompetenz. Wir konnten ihnen versichern, dass wir die Freizeit auch in diesem Jahr wieder finanzieren werden.
Bila Zerkwa
Nach einigen Tagen fuhren zwei Vorstandsmitglieder weiter nach Bila Zerkwa und Skwira. In Bila Zerkwa besprachen sie mit Pastor Stepan die Modalitäten für den nächsten Hilfstransport. Wegen der vielen Feiertage im April und im Mai war es bisher nicht möglich gewesen, die Dokumente für den Transport einzureichen. Es steht daher zu erwarten, dass der Transport im Mai nicht mehr durchgeführt werden kann sondern vermutlich erst im Juni. Wir hoffen, dass die Behörden rasch arbeiten und keine weitere Verzögerung mehr eintritt.
Armenküche
Die kleine Kirchengemeinde von Pastor Stepan hatte vor einigen Jahren eine Armenküche betrieben, die aber wegen Ausfall des Sponsors vor drei Jahren eingestellt werden musste. Im Frühjahr hatten wir angefragt, ob die Gemeinde Interesse hätte, diese Arbeit wieder aufzunehmen, wenn wir sie finanzieren würden. Nach reiflicher Überlegung stimmte sie zu und so konnten wir die laufende Küche besuchen. Sie ist keine Küche mit Essgelegenheit, sondern die Suppe wird mit viel Liebe und guten Zutaten in der normalen Küche des Gemeindehauses gekocht. Dann wird sie in Gefäße abgefüllt, die sich die Menschen abholden und zu ihrer Familie nach Hause bringen. Einige Obdachlose kommen regelmäßig mit großen Plastikflaschen um die Suppe zu holen. Die Köpfe der Flaschen sind abgeschnitten und sie essen dann direkt aus der Flasche. Zurzeit werden täglich ca. 8-10 Liter Suppe für 18 Personen gekocht und man möchte den Dienst gern ausweiten auf ca. 20 Liter. Früher hatte die Gemeinde eine arbeitslose Frau in der Küche beschäftigt, die sich damit etwas verdienen konnte. Diese Frau hat nun keine Zeit mehr mitzuarbeiten. Darum kocht Nadja, Stepans Frau, die im normalen Beruf Straßenkehrerin ist. Sie geht mit sehr viel Liebe an diese Arbeit.
Skwira
In Skwira hat sich einiges geändert. In der Politik haben andere Leute das Sagen, die nicht mehr mit Aleksandr zusammenarbeiten wollen, wie die früheren Verantwortlichen. Da wir Aleksandr eine andere Organisation vermitteln konnten, die ihm jetzt Hilfsgüter schickt, haben wir unsern Kontakt mit diesem Besuch beendet. Aleksandr wohnt inzwischen in Vinnytsia, ca. 200 km weiter südlich. Er hat dort zusammen mit seiner Schwiegermutter ein Haus gekauft, das er erweitern wird, weil er mit seiner Frau Julija Pflegekinder aufnehmen möchte. Einen 16-jährigen Jungen haben sie bereits aufgenommen und in Kürze sollen vier Schwestern dazu kommen, die ihre Mutter verloren haben.
Allgemeines
Insgesamt sehen wir in der Ukraine verschiedene Entwicklungen. In Wischgorod gibt es einen Bürgermeister, der früher der Chefarzt der dortigen Klinik war und der einen Blick für die Menschen zu haben scheint. Es ist eine rein äußerliche Entwicklung der Stadt zu erkennen, die den Menschen zugutekommt und die auch einen positiven Einfluss auf die Atmosphäre in der Stadt hat.
In Bila Zerkwa scheint sich das äußerliche Erscheinungsbild leicht zurück zu entwickeln. Überraschenderweise scheint aber das Sozialamt mit Mitarbeitern besetzt zu sein, die ihrer Verantwortung für die Schwachen besser nachkommen als anderswo. Wir sehen eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde von Stepan.
In Skwira hat sich der politische Wind gedreht in die zurzeit vorherrschende Richtung und wir haben den Eindruck, dass dies nicht zugunsten der Schwachen ausfällt.
Es wird viel gebaut. Die EM 2012 wirft ihre Schatten voraus. Ob die Ukraine aber wirklich vorbereitet ist auf das, was auf die zukommt, muss sich erst noch zeigen. Die Grenzübergänge sehen nicht danach aus und polnische Grenzer haben uns erzählt, dass sie die ukrainischen Beamten auf ihre Terminals eingeladen haben, um die Abwicklung kompakter zu gestalten.
Die persönliche Gastfreundschaft ist sehr ausgeprägt. Das nebenstehende Bild entstand bei einem Besuch in einem Dorf. In einer anderen Familie kamen wir mit 7 Personen an obwohl nur zwei für einen kurzen Besuch angekündigt worden waren. Das Essen auf dem Tisch reichte für alle.
Die Dienstleistung im Hotel oder in der Gastronomie dagegen entspricht überhaupt nicht dem, was Touristen anziehen könnte. Es wird spannend sein, wie die Teilnehmer und die Zuschauer der EM 2012 darauf reagieren werden, dass der Service-Gedanke völlig unterentwickelt ist.
Wenn man mit den jungen Leuten über Politik spricht, dann sind sie voller Frust und deswegen ohne jedes Interesse. Sie sehen keinen Sinn darin, sich persönlich politisch zu engagieren, weil das ohnehin nur die Reichen tun um noch reicher zu werden. Sie nehmen die Rahmenbedingungen wahr, unter denen sie leben und versuchen einfach, ihr Leben darin so gut wie möglich zu gestalten. Die Kraft zu einer neuen „Orangen Revolution“ scheint nicht mehr vorhanden zu sein und die Ukraine fällt in alte Muster zurück. Wir haben den starken Eindruck, dass unsere Hilfe für die bedürftigen Menschen noch Jahre erforderlich sein wird. Hoffentlich läuft die Entwicklung nicht in dieselbe Richtung wie in Weißrussland.
Über unsere Erlebnisse ließe sich viel erzählen. Wir haben viele Bilder gemacht. Sie müssen einfach einmal mitkommen und sehen, wie und wo Ihre Gastkinder leben.